Birgit Hofmeister zur Arbeit des ambulanten Hospizdienstes
Warum gibt es den "ambulanten Hospiz- und Palliativberatungsdienst" St. Elisabeth und was sind seine Aufgaben?
Wir begleiten schwerkranke und sterbende Menschen sowie deren Angehörige in der letzten Lebensphase. Die meisten Menschen wollen zu Hause in der vertrauten Umgebung sterben und auf Wunsch unterstützen wir dies. Die Angehörigen haben oft große Bedenken, den Sterbenden nicht ausreichend versorgen zu können oder etwas falsch zu machen. Wir sind da, um einfühlsam zu begleiten, zu beraten, ein tragfähiges Versorgungsnetz aufzubauen sowie Ansprechpartner in Krisensituationen zu sein. Dadurch kann Sicherheit vermittelt werden und unnötige Krankenhauseinweisungen am Lebensende werden vermieden.
Sie selbst sind "Koordinatorin" - was muss man sich darunter vorstellen?
Ich bin eine von drei Koordinatorinnen in unserem Hospizdienst. Ich bin Krankenschwester mit der Zusatzqualifikation Palliative Care. Mein Aufgabenbereich ist sehr vielfältig:
Ich mache die Erstbesuche beim Patienten und zeige den Betroffenen die Möglichkeiten einer individuellen Betreuung und Begleitung auf. Auf Wunsch stelle ich einen "passenden" Hospizbegleiter vor, welcher dann die eigentliche Begleitung übernimmt.
Als Koordinatorin bin ich zuständig, die Kranken und Angehörigen zu beraten, in Fragen zu Schmerztherapie und Symptomkontrolle, Ernährung und Flüssigkeitsgabe, lindernde pflegerische Maßnahmen oder auch über angstmachende, krankheitsbedingte Veränderungen. Das alles geschieht in enger Zusammenarbeit mit all denjenigen, die an der Versorgung des Kranken beteiligt sind (Ärzte, Sozialstation, Krankenhaus, Heim, Seelsorge, Sanitätshaus, Apotheke)
Außerdem habe ich eine Fürsorgepflicht gegenüber unseren Ehrenamtlichen, ich frage nach oder sie informieren mich über die aktuellen Einsätze und ich sorge dabei für eine gute "Begleitung der Begleiter".
Zudem bin ich zuständig für die Gewinnung, Schulung und Fortbildung unserer Hospizbegleiter sowie für die Öffentlichkeitsarbeit.
Wie genau sieht die Begleitung Schwerstkranker oder Sterbender durch Ihren Dienst aus?
Wir haben aktuell 46 ehrenamtliche HospizbegleiterInnen, sie sind das "Herzstück" unseres Dienstes. Sie bringen ihre Zeit mit und stellen sich ganz auf die Wünsche und Bedürfnisse des Kranken ein. Die Begleitungen sind daher ganz unterschiedlich, da gibt es die ganze Bandbreite von: gemeinsam Kaffee trinken, spazieren gehen, vorlesen, Gespräche, die auch schwierigen Situationen nicht ausweichen, kleine Handreichungen wie z. B. Einkaufen gehen oder nur das "Da sein", die Sitzwache am Krankenbett, das "Mit-Aushalten" der Situation, zuhören, singen, beten.
Die Hospizbegleiter geben da nichts vor, sie stellen sich immer wieder auf die Situation ein, so wie es der Patient vorgibt. Wir wollen gemeinsam beitragen, dass trotz schwerer, fortgeschrittener Erkrankung ein lebenswertes, selbstbestimmtes und würdiges Leben möglich ist.
Welche Hilfen und Erleichterungen kann Ihr Engagement Sterbenden in der letzten Phase ihres Lebens geben? Wird in der "letzten Lebensphase" über den Tod gesprochen?
Wir erleben oft, dass Sterbende über ihre Ängste und Zweifel die im Zusammenhang mit der Krankheit und dem Tod stehen, nicht mit den Menschen besprechen können (oder wollen), die ihnen nahe stehen. Sie meinen, die Angehörigen damit noch "zusätzlich" zu belasten. Vielen fällt es leichter, diese Dinge mit einer neutralen Person zu besprechen. Für viele ist es auch wertvoll, das gelebte Leben nochmal zu reflektieren, über das Erlebte, das Schöne und das Traurige zu erzählen, dadurch Sinn zu finden und spüren zu dürfen, was von einem bleibt. Es tut den Kranken gut, einen "Zuhörer" zu haben.
Welche Hilfen erfahren die Angehörigen eines Sterbenden durch Ihr Engagement?
Die Hospizbegleiter sind genauso für die Angehörigen da, hören zu und entlasten. Angehörige sind teilweise durch die lange Pflege und die Sorge körperlich und psychisch sehr erschöpft. Die Anwesenheit eines Hospizbegleiters bietet die Möglichkeit eine "Auszeit" zu nehmen (z. B. schlafen können, außer Haus zu gehen usw.)
Die Angehörigen brauchen genauso Zuhörer für die eigenen Ängste und Sorgen im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Abschied. Oft liegt noch viel "Unausgesprochenes" im Raum. Die Begleiter geben dann auch Impulse, diese Dinge mit dem Kranken zu besprechen, bzw. zu regeln. Wir erleben dabei auch immer wieder, dass Kranke, die zuvor sehr unruhig waren zu einer inneren Ruhe finden.
Gibt es einen Ratschlag, eine Empfehlung, die Sie Angehörigen von sterbenskranken Menschen unbedingt mit auf den Weg geben würden?
Einen sterbenden Angehörigen zu versorgen, stellt die Angehörigen meist vor eine sehr schwere, schier unüberwindbare Herausforderung. Ich möchte die Angehörigen ermutigen, sich dieser Aufgabe zu stellen und sich hier auch Unterstützung zu holen. Mittlerweile gibt es in fast jedem Landkreis Hospizinitiativen, die mit der regionalen Versorgungsstruktur vernetzt sind. Vieles ist mit Hilfe dann doch möglich, was zunächst nicht machbar erscheint.
Ich bin immer wieder berührt, wie viel Kraft, Energie und Fürsorge Familien aufbringen, um es dem Sterbenden in dieser letzten Lebensphase so angenehm wie nur möglich zu machen. Die Versorgung eines Sterbenden ist für die ganze Familie eine sehr schwere, mühsame, belastende aber auch sehr wertvolle und intensive Zeit.
Ich möchte den Angehörigen nahelegen, mit dem Kranken offenen, einfühlsam ehrlich und wahrhaftig umzugehen, Sorgen und Ängste anzusprechen und nicht "wegzureden" und darauf einzugehen, was der Kranke wirklich will.
Gibt es von Ihrer Seite Beobachtungen oder Erfahrungen, die auf eine - wie auch immer geartete - (z.B. gesellschaftliche, religiöse) Veränderung im Umgang mit dem Tod und dem Sterben hindeuten?
Ich denke, unsere Gesellschaft hat es größtenteils verlernt, mit den Themen Sterben, Tod und Trauer natürlich umzugehen. Dies passt nicht in den heutigen "Lifestyle". Wir bereiten uns im Leben auf alles Mögliche vor und machen uns über Dinge Gedanken, die dann doch nicht eintreffen. Über den Tod spricht kaum jemand, obwohl unsere eigene Sterblichkeitsrate bei 100 % liegt. Wir müssen wieder lernen, den Tod in unser Leben zu integrieren. Rituale, die früher ganz selbstverständlich zu einer guten "Sterbe- und Trauerkultur" gehörten (und auch Halt und Sicherheit gaben) werden heute oft übergangen, sind in Vergessenheit geraten oder gar nicht bekannt.
Wie verkraften die Hospizbegleiter die Konfrontation mit Sterben und Tod? Wie werden die Erfahrungen aufgefangen bzw. aufgearbeitet?
Dadurch, dass ich mit den Ehrenamtlichen während eines Einsatzes immer wieder im Kontakt bin, kann ich auch zeitnah eingreifen, wenn ich merke, dass eine Situation zu belastend wird und die Ehrenamtlichen überfordert sind. Das kommt allerdings sehr selten vor. Die Hospizbegleiter bereiten sich in einem umfangreichen Kurs auf ihre verantwortungsvolle Tätigkeit vor, sie wissen und kennen die eigenen Grenzen und Möglichkeiten und haben gelernt, sich gut selbst zu reflektieren. Zudem sind unsere Hospizbegleiter verpflichtet, an regelmäßig stattfindenden Supervisionen teilzunehmen.
Hat sich durch Ihr Engagement der Blick auf Ihr eigenes Sterben, ihren eigenen Tod verändert? Falls ja: wie - in welche Richtung - welche Sichtweise konnten Sie für sich selbst entwickeln?
Auf jeden Fall! Täglicher Umgang mit Sterben und Tod macht sensibel für das eigene Leben und Sterben. Mir ist täglich bewusst, dass mein Leben endlich ist, ich versuche jeden Tag bewusst und dankbar zu leben.
Ich durfte viele Menschen begleiten und habe viele Tote gesehen. Dabei erlebe Ich immer wieder, wie in den Stunden des Abschiedes trotz all dem Schweren und Traurigen ganz viel Ruhe und Frieden spürbar wird, wie sich das Gesicht eines Verstorbenen im Tod entspannt und wie die Angehörigen rückblickend diese letzte gemeinsame Lebenszeit als wertvollen Teil des Lebens beschreiben.
Für mich hat der Tod den "Schrecken" verloren, den er früher einmal hatte.