Trauerbegleiter - Brückenbauer zwischen Verstorbenen und Lebenden
Sich rufen lassen - Zuhören - Schweigen - Aushalten - Wahrnehmen - Achtsamkeit - Betrachten - ins Gebet nehmen - Loslassen - Vertrauen - Hoffnung
Attribute, die uns im Zusammenhang mit Exerzitien geläufig sind, in der Trauerbegleitung werden sie konkret und greifbar. Geschwätzigkeit, Lärm und Umtriebigkeit haben dort keinen Platz. Grenzen werden berührt, bei mir und meinem Gegenüber. Wir begegnen uns von Seele zu Seele. Verletzungen, Verlustängste, Wut, Trauer, Sorgen und Ängste vor der Zukunft - existenzielle Fragen des Lebens liegen offen.
Vor einem Einsatz als Trauerbegleiter muss ich mir klar werden, ob ich der Situation gewachsen bin oder ob ich Widerstände in mir verspüre, diese Begleitung zu übernehmen. Möglicherweise benötige ich besonderen Fällen Unterstützung durch die Notfallseelsorge oder andere fachlich kompetente Menschen (z.B. bei Mord, Suizid, Kindstod). Eigene Achtsamkeit und das Erkennen meiner eigenen Grenzen, sind ein wichtiger Baustein für eine kompetente und gelingende Begleitung.
Informationen, die ich schon im Vorfeld bekomme, brauche ich nicht beim Erstkontakt mit den trauernden Menschen erfragen oder erspüren. Möglichst umfassende Informationen, soweit sie bekannt sind, erleichtert den Einstieg in die Begleitung. Schwierige Lebensumstände, Verletzungen, Trennung, Hass usw., können möglicherweise zu unkalkulierbaren Reaktionen führen und eine Begleitung zum Scheitern bringen. Behutsam fragen und hören, achtsam wahrnehmen, kleine Signale in Gesten, Körperhaltung, Lebensraum, sind wichtige Mosaiksteine um eine Brücke zur zu begleitenden Person zu bauen. Je mehr mir im Vorfeld vom Toten, den Todesumständen und dem Lebensumfeld bekannt ist, desto leichter ist es die Reaktionen und Äußerungen der Trauernden, verbal oder nonverbal, zu deuten. Sensible Bereiche können mit besonderer Vorsicht angesprochen, wenn nötig umgangen werden.
Im Einsatz bin ich mit allen Sinnen gefordert. Hören, schweigen, aushalten, kleinste Regungen an mir und meinem Gegenüber wahrnehmen - Achtsamkeit. Distanz und Nähe wahren. Nachfragen, schweigen, Tränen aushalten, hoffnungsvoll ermutigen und liebevoll das Leben des Verstorbenen erinnern.
Innerlich in einer Haltung des Gebetes, werden Zeiten des Haders, der Fragen und des Schweigens für mich erträglicher. Ausgeglichenheit, Klarheit und Ruhe der Trauerbegleitung, können dem Trauernden helfen, selbst ein weinig Frieden in der Trauer zu finden.
Nach einem Einsatz in der Trauerbegleitung muss ich wieder loslassen, Psychohygiene. Nachdenklich trete ich den Heimweg an, mit vielen Gedanken die mir nachgehen. Im Schweigen beim Spaziergang, in Gebetszeiten kann Klärung geschehen, ergeben sich Fragen, können Glück und Zweifel in mir aufbrechen. (Ehe)-Partner, Freunde, das Team der Trauerbegleitung, geistliche Begleitung und Supervision sind wichtige Partner, den Dienst der Trauerbegleitung anzuschauen, zu reflektieren und gegenseitig Mut zuzusprechen. In den Blick genommen wird das, was uns in der Begleitung nachgeht, wir schauen auf die Freude, die uns der Dienst bereitet, wir schauen auf gelungenes und auch auf interessantes, das es wert ist noch geklärt zu werden.
Menschen begleiten ist: kein - auf Händen tragen, kein - du musst es so oder so machen, kein - das ist der einzige Weg zum Glück. Begleiten bedeutet, ein Stück des Weges eines Menschen mitzugehen und klar zu erkennen, wie weit ich mitgehen darf und muss. Manche Menschen wünschen keine Begleitung durch mich oder durch uns. Dies haben wir zu respektieren, ohne zu werten und ohne persönlich gekränkt zu sein. Jeder Mensch entscheidet selbst, ob Begleitung zugelassen wird oder ob nicht. Eine gelingende Begleitung geschieht nur in gegenseitiger Freiwilligkeit und gegenseitigem Vertrauen.
Durch den Dienst der Trauerbegleitung habe ich persönlich Veränderungen meiner Wahrnehmung erfahren dürfen. Die Vielfältigkeit der menschlichen Empfindungen, die Einzigartigkeit, Verletzlichkeit, die Einmaligkeit eines jeden Menschen werden mir mit jeder Begleitung immer wieder aufs neue geschenkt. Einiges unserer vermeintlich wichtigen Dinge, werden aus der Wahrnehmung als Trauerbegleiter neu geordnet und relativieren sich vielfach im Umgang mit Menschen in Grenzsituationen ihres Lebens.
Der Blick nach Emmaus, der Blick aus der Perspektive dieser zwei Menschen auf dem Weg mit ihrem einzigartigen Begleiter an ihrer Seite, gibt mir Hoffnung, gibt mir innere Ruhe und ist Kraftquelle für diesen Dienst an der Seite meiner Mitmenschen.
Georg Steinmetz, Trauerbegleiter