Vor 20 Jahren begann die Insolvenzberatung für überschuldete Privatpersonen im Caritasverband für den Landkreis Dillingen.
Das damals neue Insolvenzrecht trat zum 01.01.1999 in Kraft und löste die zuvor bestehende Konkursordnung ab.Ganz neu im deutschen Recht war dabei, dass dem "redlichen Schuldner" durch Gerichtsbeschluss Schulden erlassen werden, wenn er sich für 7 Jahre "wohl verhalten" werden würde - für die Gläubiger keine so schöne Aussicht, für die in Überschuldung geratenen Menschen aber eine lang ersehnte Hoffnung auf einen wirtschaftlichen Neuanfang!
Das Gesetz war daher lange in einer Vorbereitungsphase. Ursprünglich sollte es schon 1997 in Kraft treten, aber es brauchte viel Zeit in der Gesetzgebung, die gegensätzlichen Interessen in eine für alle Beteiligten tragbare Form zu bringen.Von Beginn an stand die "außergerichtliche Einigung" im Mittelpunkt: Zwischen Schuldner und Gläubiger sollte eine einvernehmliche Regelung in Form eines Schuldenbereinigungsplans getroffen werden.
Genau für diesen vorausgehenden außergerichtlichen Einigungsversuch ist die Schuldnerberatung / Insolvenzberatung zuständig.Wenn der Plan seitens der Gläubiger nicht angenommen wird, kommt es zu einem Antrag beim Insolvenzgericht. Auch hier besteht im Einzelfall die Möglichkeit, einen Plan mit gerichtlicher Hilfe durchzusetzen.
Wenn diese beiden Vorstufen nicht zu einer Einigung führen, kommt es zur Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens."Im Caritasverband Dillingen gab es schon seit Ende 1993 eine Schuldnerberatung, die damals von Peter Gastl als ehrenamtlichen Mitarbeiter und ausgebildetem Bankkaufmann geleistet wurde", berichtet Stephan Borggreve, der seit 1995 als Geschäftsführer den Caritasverband im Landkreis Dillingen leitet. "Aber die zunehmende Zahl der Ratsuchenden mit Überschuldungsproblemen erforderte neue Wege." So übernahm Borggreve selbst 1995 hauptamtlich für viele Jahre die Schuldnerberatung, ergänzt von Franz Baumgartner als weiteren ehrenamtlichen Berater und seit 1996 unterstützt durch Brigitte Steiner als neu eingestellte Verwaltungskraft. Mit Beginn der Insolvenzordnung konnte der Sozialarbeiter Ulrich Keuch dann maßgeblich mit dem neuen rechtlichen Instrument in der Schuldnerberatung unseren vielen Ratsuchenden weiterhelfen.
Für die aufwändige und verantwortungsvolle Aufgabe des außergerichtlichen Einigungsversuchs sind vom Gesetzgeber erhebliche Qualitätsstandards gefordert.Nur bei entsprechender Qualität der Beratungsstelle wird durch die zuständige Regierung von Schwaben das Merkmal "anerkannte Insolvenzberatungsstelle" erteilt. Diese Anerkennung hatte der Caritasverband Dillingen schon im Dezember 1998 beantragt und erhalten.
"Endlich haben überschuldete Menschen wieder die Chance, von der teilweise lebenslangen Last der Schulden befreit zu werden", so Keuch, "denn wenn jemand keine Perspektive mehr für sich sieht, ist die Motivation sehr gering, das eigene Leben wieder wirtschaftlich und persönlich in den Griff zu bekommen. Nicht umsonst sprach man damals von einem lebenslangen Schuldenturm." Wie oft hat man gesehen, dass den Menschen die familiären und sozialen Beziehungen wegbrechen, Arbeitsplätze verloren gehen und eine Neuanstellung erschwert wird. Oft genug kommen noch gesundheitliche Beschwerden hinzu, allen voran Depressionen bis hin zu selbstschädigendem Verhalten mit Suchtmitteln in verschiedener Form. "Menschen können vieles im Leben an Problemen und Krisen bestehen, aber eine Aussicht, ein Ziel, ist dabei von essentieller Bedeutung", weiß Keuch aus langjähriger Erfahrung.
Auch für die Gläubiger bietet das Insolvenzverfahren Vorteile. Schließlich hat niemand etwas davon, wenn ein seelisch und körperlich angeschlagener Schuldner seine Arbeitskraft nicht mehr hinreichend einbringen kann.
Und bei bereits bestehenden Lohnpfändungen kommen durch ein Insolvenzverfahren endlich auch nachrangige Gläubiger zum Zuge, die ansonsten nie zu einem anteiligen Betrag ihrer berechtigten Forderungen gekommen wären.
Im Caritasverband Dillingen wurden in den letzten zwanzig Jahren über 1.300 Insolvenzfälle bearbeitet. Die meisten davon konnten mit Hilfe des Insolvenzgerichts in Nördlingen einer Entschuldung nach der langjährigen Wohlverhaltensphase erreichen.
"Im Jahr 2019 wurde endlich die Finanzierung der Insolvenzberatung durch den Freistaat Bayern nach beinahe 20 Jahren deutlich verbessert", berichtet der 1. Vorsitzende des Caritasverbandes, Stephan Wolk. "Damit konnten wir ab diesem Jahr zusätzlich Kathrin Broda als weitere Beraterin in der Schuldner- und Insolvenzberatung einsetzen. Die verbesserte Personalausstattung kommt dabei den ratsuchenden Menschen zugute und verkürzt unter anderem die teilweise langen Wartezeiten." Für Wolk steht hinter jedem Insolvenzfall letztlich ein Mensch mit sozialem Umfeld, der mit Hilfe des Insolvenzrechts und der Vorarbeit durch die Caritas in Dillingen eine neue Lebensperspektive entwickeln konnte. Daher besteht aus Sicht der Caritas als Träger dieser Beratungsstelle zwanzig Jahre nach Einführung der neuen Insolvenzberatung wirklich ein Grund zur Freude.